Bisher dachte ich immer, Distanziertheit sei eine Schwäche.
Nun aber entdecke ich eine positive Kraft darin.
Angefangen hat es in der Begegnung mit meinen Nachbarn. Es
sind liebe Menschen und wir sind uns sehr nah. Allerdings bestanden sie von
Anfang an auf eine für mich ungewohnte Distanz. Wir helfen uns gegenseitig in
allen Dingen, die das Zusammenwohnen betrifft. Wir übernehmen während des
Urlaubs oder einer Krankheit den Treppendienst des anderen. Sie fuhren mich
sogar nach meiner Fuß-Knie-OP regelmäßig zum Arzt und zur Physiotherapie. Aber
sie wehren sich gegen Geschenke und allzu starke, verpflichtende Dankbarkeit.
Sie wollen nichts für Ihre Hilfsbereitschaft. Das erfüllt mich mit Hochachtung.
Auch in der Arbeitswelt erlebe ich mittlerweile Distanziertheit als
wohltuend und erleichternd. Die Kolleginnen sind ja nicht meine privaten
Freunde, auch wenn ich Ihnen gegenüber freundschaftlich empfinde und wir
freundlich miteinander umgehen. Sie gehören aber nicht in mein persönliches
Umfeld, wie ich auch nicht in ihres gehöre.
In meinem Herzen möchte ich wie ein Kind alle Menschen
harmonisch miteinander verbinden. Allerdings habe ich auch ausreichend erfahren
müssen, wie einschränkend und bindend zu viel Nähe sein kann. Dann kann es auch
eine Erleichterung und Hilfe sein, wenn Distanziertheit durch äußere Umstände
gewünscht oder gefordert wird.
Ich glaube, dass eine herzliche Distanziertheit viel mit
Selbstzufriedenheit und Selbstgenügsamkeit zu tun haben. Bin ich mit mir selbst
zufrieden, brauche ich keine Bestätigung von außen. Distanziert bleiben können
erhält einen eigenen Handlungsspielraum und lässt Raum zum freien Handeln. Zu
diesem Thema habe ich noch viel zu lernen.
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