Sonntag, 14. Dezember 2014

Geheimnis Distanz

Bisher dachte ich immer, Distanziertheit sei eine Schwäche. Nun aber entdecke ich eine positive Kraft darin.
Angefangen hat es in der Begegnung mit meinen Nachbarn. Es sind liebe Menschen und wir sind uns sehr nah. Allerdings bestanden sie von Anfang an auf eine für mich ungewohnte Distanz. Wir helfen uns gegenseitig in allen Dingen, die das Zusammenwohnen betrifft. Wir übernehmen während des Urlaubs oder einer Krankheit den Treppendienst des anderen. Sie fuhren mich sogar nach meiner Fuß-Knie-OP regelmäßig zum Arzt und zur Physiotherapie. Aber sie wehren sich gegen Geschenke und allzu starke, verpflichtende Dankbarkeit. Sie wollen nichts für Ihre Hilfsbereitschaft. Das erfüllt mich mit Hochachtung.
Auch in der Arbeitswelt erlebe ich mittlerweile Distanziertheit als wohltuend und erleichternd. Die Kolleginnen sind ja nicht meine privaten Freunde, auch wenn ich Ihnen gegenüber freundschaftlich empfinde und wir freundlich miteinander umgehen. Sie gehören aber nicht in mein persönliches Umfeld, wie ich auch nicht in ihres gehöre.
In meinem Herzen möchte ich wie ein Kind alle Menschen harmonisch miteinander verbinden. Allerdings habe ich auch ausreichend erfahren müssen, wie einschränkend und bindend zu viel Nähe sein kann. Dann kann es auch eine Erleichterung und Hilfe sein, wenn Distanziertheit durch äußere Umstände gewünscht oder gefordert wird.
Ich glaube, dass eine herzliche Distanziertheit viel mit Selbstzufriedenheit und Selbstgenügsamkeit zu tun haben. Bin ich mit mir selbst zufrieden, brauche ich keine Bestätigung von außen. Distanziert bleiben können erhält einen eigenen Handlungsspielraum und lässt Raum zum freien Handeln. Zu diesem Thema habe ich noch viel zu lernen. 

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