Ich bin froh zu leben. Für mich gibt es nur
diesen Moment. Am Tage bemühe ich mich so zu leben, dass ich am Abend zufrieden
sein werde. Ich möchte durch das Leben mit leichtem Gepäck reisen. Das wird
möglich, wenn ich ganz auf mich höre und spüre, welcher Aspekt meiner
vielseitigen Persönlichkeit jetzt etwas erlebt. Das Licht des Tages und das
Dunkel der Nacht geben mir einen Grundrhythmus.
Der frühe Morgen ist für mich die
allerschönste Tageszeit. Es ist die Zeit mit nur wenigen Gedankenbewegungen. Ich
stehe schon früh auf, um diese besondere Stille zu genießen, in der ich mir
ganz nah bin. Schon der Moment des Erwachens ist wie ein Versprechen, der
tröstlich den ganzen Tag in sich enthält. Ich lasse mir ausreichend Zeit und gehe
erst danach in einen mit Terminen und Aufgaben vollgepackten Tag. Auch den will
ich mit allen Sinnen bewusst erleben.
Erst spät am Abend öffnet sich wieder ein Zeitfenster
für die Innenreflektion. Dies ist keine stille Zeit wie am Morgen. Die abendliche
Innenschau ist angefüllt mit Spannung, Unruhe und Erschöpfung. Das
Tagesgeschehen hat deutliche Spuren in mir hinterlassen, die verarbeitet werden
wollen. Ich nehme mir die Zeit zu beobachten wie mich das Erlebte noch immer
bewegt, manchmal noch aufwühlt, manchmal noch bedrückt, um dann nach einiger
Zeit zur Ruhe zu kommen. Erst dann kann ich beruhigt einschlafen, erholsam durchschlafen
und morgens erfrischt aufwachen.
An jedem Morgen erwacht die Welt erneut. Egal,
was ich gestern getan habe, ob ich Fehler gemacht habe, falsche oder richtige
Entscheidungen getroffen habe, ob ich ärgerlich oder verständnisvoll war,
am heutigen Morgen beginnt ein neuer Tag mit
neuen Möglichkeiten. Fehler könnte ich heute korrigieren. Entscheidungen könnte
ich heute ändern. Heute könnte ich um Entschuldigung bitten oder jemandem
verzeihen. Heute könnte ich weggehen, weitergehen oder stehenbleiben. Heute könnte ich neu
starten, neu denken oder neu fühlen.
Wirklich alles hat seine Zeit, in diesem
Moment.